9. Optimismus stärken

Durch Lachen entsteht „das beförderte Lebensgeschäft im Körper, der Affekt, der die Eingeweide und das Zwerchfell bewegt, mit einem Worte das Gefühl der Gesundheit … macht das Vergnügen aus, welches man daran findet, dass man dem Körper auch durch die Seele beikommen und diese zum Arzt von jenem brauchen kann.“ (Immanuel Kant)

„Neun Zehntel unseres Glücks beruhen allein auf der Gesundheit.“ (Arthur Schopenhauer)

Zusammenfassung der Kernaussagen dieses Artikels:

Humor, Lachen und optimistische Einstellungen wirken in der Regel förderlich für unsere Gesundheit. Der negative Effekt depressiver Affekte und Einstellungen auf unsere Krankheitsprognose ist eindeutig und wird von mir anhand einer Episode aus den Sissi-Filmen erläutert. Am Beispiel des mutigen und gelungenen Selbstheilungsversuchs des amerikanischen Journalisten Norman Cousins, der an einer gefährlichen degenerativen Rückenmarkserkrankung litt, die in der Regel zur Lähmung und völliger Bewegungsunfähigkeit führt, wird die heilsame Kraft von „Dr. Fröhlich“ illustriert. Die Heilungschancen lagen im Falle der Erkrankung Cousins bei 1 : 500! Cousins ist ein bedeutsamer Vorreiter und Mitstreiter einer sich Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts stürmisch entwickelnden neuen Forschungsrichtung, der Psychoneuroimmunologie, kurz PNI, die Wechselwirkungen zwischen den bis dahin als getrennt gedachten Körpersystemen (Nervensysteme, Immunsystem, Hormonsystem) erkannte und diese untersucht. Anschließend referiere ich einige wesentliche Ergebnisse der Glücksforschung: Optimismus ist erlernbar. Die äußeren Umstände bestimmen nur zu 10-15 Prozent unser Glückserleben. 50 Prozent unseres Glückserlebens ist vermutlich vererbt. Der Rest von 35-40 Prozent steht uns zur Verfügung, um unser Glücksgefühl mit einfachen alltagstauglichen Selbsthilfe-Strategien zu steigern. Es folgen die zwölf wissenschaftlich bewährtesten und besten Strategien, die uns helfen können, uns glücklicher zu fühlen, egal wie unsere Lebensumstände sind.

Es gibt wohl nur wenige Menschen in Deutschland, die die Trilogie der Sissi-Filme mit der jungen Romy Schneider nicht gesehen haben. Vermutlich erinnern Sie sich, dass die junge österreichische Kaiserin Sissi im dritten Teil („Schicksalsjahre einer Kaiserin“) schwer erkrankt. Auf Anraten der Ärzte reist sie ans Mittelmeer, um sich im dortigen gesunden Klima besser von ihrer Krankheit erholen zu können. Doch nichts scheint zu helfen. Sissi erscheint zunehmend schwermütig und ihr Zustand verschlechtert sich eher noch. Der sie untersuchende ärztliche Hofrat berichtet nach seiner Rückkehr nach Wien Sissis Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, dass „zu allem Unglück“ nun auch noch „eine Depression“ hinzugekommen sei. Er fürchte nun „das Allerschlimmste“. Wie jeder weiß, kommt es dazu nicht, weil sich die resolute und natürlich herzensgute Mutter der Sissi zu einem längeren Krankenbesuch zu ihrer Tochter aufmacht und es ihr mit ihrer zupackenden und mütterlich liebevollen Art gelingt, wieder Lebensmut, Fröhlichkeit und sogar Reiselust in Sissi zu wecken. All das wirkt sich so günstig auf Sissis Gesundheitszustand aus, dass der kaiserliche Hofrat ihr schließlich bei einer neuerlichen Untersuchung, etwas ungläubig, verkünden kann, dass sie vollständig genesen ist.

Man mag über den Film denken, wie man will. Der zentrale Punkt, der in dieser Geschichte illustriert wird, ist, dass depressive Verstimmungen und resignative Gefühle einer Krankheit förderlich und der Gesundheit abträglich sind. Dieser Punkt der Filmerzählung kann nun tatsächlich als wissenschaftlich gesicherte Aussage gelten. (Vgl. Schubert 2011). Der Arzt fürchtet zu Recht ‚das Allerschlimmste‘, als die eh schon kranke Sissi auch noch die Symptome einer starken Depression entwickelt und fehlenden Lebenswillen erkennen lässt, der so wesentlich für die Aktivierung der Selbstheilungskräfte scheint.

Im Gegensatz dazu wirken optimistische Stimmungen und vor allem Humor eher förderlich für unsere Gesundheit. Der Volksmund weiß darum: „Lachen ist die beste Medizin“. Und schon in „der Bibel steht, dass ein fröhliches Herz der beste Arzt sei.“ (Cousins (1996), S. 80) Aristoteles lehrte, dass „Lachen … eine körperliche Übung von großem Wert für die Gesundheit“ ist. Und er hat völlig recht, wie die aktuelle Forschung belegt: Wer viel lacht, lebt länger, stärkt seine Abwehrkräfte und lindert seine Schmerzen.

Der Gedanke der heilsamen Wirkung des Lachens und von „Dr. Fröhlich“ ist in der Geschichte der modernen Medizin wohl mit niemandem mehr verknüpft als mit dem amerikanischen Journalisten Norman Cousins (1915-1990). Cousins erkrankte 1964 an „Spondylitis ankylosans, einer tückischen, äußerst schmerzhaften Knochendegeneration. Sie bewirkt eine allmähliche Versteifung der Wirbelsäule, verbunden mit Bewegungsunfähigkeit …“ Heiko Ernst, mehrfacher Buchautor und langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift ‚Psychologie heute‘, schreibt das in seinem kundigen Vorwort zur deutschen Taschenbuchausgabe von Cousins Buch (Cousins (1996), S. 7f).

Auch eine „statistische Genesungschance von 1 zu 500“ (Ernst, in Cousins (1996), S. 8), schreckte Cousins nicht davon ab, die zunächst verordnete konventionelle ärztliche Krankenhausbehandlung abzubrechen. Er glaubte, dass er eine Heilungschance hatte und war entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen. Eben dieser Entschluss „verschaffte mir eine gewisse Befriedigung“ (Cousins, ebd., S. 38). Weiter: „Da ich das Verdikt nicht akzeptierte, war ich nicht in dem Teufelskreis aus Angst, Depression und Panik gefangen, der eine vermeintlich unheilbare Krankheit häufig begleitet.“ (Cousins, ebd.) Er mietete sich in ein Hotelzimmer ein und initiierte dort ein selbst erdachtes Therapieprogramm. Als Medikament verordnete er sich zum einen sehr hohe Vitamin C – Gaben. Zum andern versorgte er sich mit lustigen Filmen – etwa der Marx-Brothers oder der ‚Candid Camera‘ – um sich so in eine frohe und lebensbejahende Stimmung zu bringen und seinen Lebensmut zu stärken. In jener Zeit, in der es noch keine Videos oder DVDs gab, wurden diese Filme von einer Krankenschwester für den nahezu bewegungsunfähigen Patienten in einen Filmprojektor eingelegt. Die Krankenschwester habe ihm auch manchmal aus Witzbüchern vorgelesen. Das habe ihm unter anderem geholfen, seine Schmerzen nicht mehr so zu spüren.

Cousins aktivierte seine Selbstheilungskräfte also ganz bewusst mit Hilfe von herzhaftem Lachen. Und der mutige Selbstheilungsversuch gelang tatsächlich. Zur Verblüffung der Ärzte kehrte die Bewegungsfähigkeit von Cousins im Laufe der Zeit mehr und mehr zurück. Er konnte schließlich wieder ganztägig seiner journalistischen Tätigkeit nachgehen. Zu seinen wieder gewonnenen körperlichen Fähigkeiten, zu denen auch weitgehende Schmerzfreiheit gehörte, notierte er: „Ich kann ein Pferd in gestrecktem Galopp reiten und mit ruhiger Hand eine Kamera halten. … Nur das Gehen fällt mir schwerer, als ich es erhofft hatte.“ (Cousins, ebd., S. 36)

Norman Cousins, dem mit 49 Jahren ein baldiges Schicksal völliger Bewegungsunfähigkeit und Lähmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 500 : 1 vorher gesagt worden war, stirbt schließlich 1990 mit 75 Jahren an einem Herzleiden.

1979 veröffentlichte Cousins sein Buch, das auf deutsch „Der Arzt in uns selbst“ heißt. Das erste Kapitel daraus wurde in einer der renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften überhaupt, dem „New England Journal of Medicine“, veröffentlicht und so einem staunenden Fachpublikum zugänglich gemacht. Die über 3000 brieflichen ärztlichen Reaktionen, die Cousins laut eigenem Bekunden bekommen habe, seien überwiegend positiv gewesen. Ein Haupttenor der Briefe sei gewesen, dass es eine der Hauptaufgaben des Arztes sei, „die Fähigkeit des Patienten zur Mobilisierung seiner seelischen und körperlichen Kräfte voll auszuschöpfen.“ (Cousins 1996, S. 127f)

In der Folge wird Cousins zu einer inspirierenden Figur der sich gerade neuformierenden jungen Wissenschaft der Psychoneuroimmunologie. Dieser Wissenschaftszweig untersucht das komplexe Wechselspiel von Psyche, Nervensystem und Immunsystem. Das erste Grundlagenwerk dazu – mit dem Titel „Psychoneuroimmunology“ – veröffentlichte ein Freund von Norman Cousins, der Psychologe Robert Ader, im Jahr 1981. Eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser jungen Forschungsrichtung war, dass das Immunsystem keineswegs abgeschottet von anderen Systemen des Organismus funktioniert, wie man bis dahin dachte, sondern „sehr stark von äußeren Ereignissen (zum Beispiel Stress) und unserer mentalen und emotionalen Verarbeitung dieser Ereignisse beeinflusst wird“ (Ernst, in Cousins (1996), S. 11).

Ader führte übrigens auch den Nachweis, dass sich das Immunsystem konditionieren lässt. Er baute dabei auf Ergebnissen russischer Forscher in der Pavlov-Tradition auf, die schon früher die Konditionierbarkeit des Immunsystems belegt hatten. Dass das Immunsystem konditionierbar ist, ist eine wichtige Erkenntnis mit äußerst praktischen Konsequenzen. Denn wenn man Medikamente mit starken und sehr belastenden Nebenwirkungen durch einfache klassische Konditionierung mit anderen Scheinarzneien koppeln kann, dann lässt sich derselbe Heilungseffekt durch sehr viel weniger belastende Arzneien und damit auch sehr viel weniger Nebenwirkungen beim Patienten erzielen. Beispielsweise ist es amerikanischen Wissenschaftlern 2010 gelungen, „das Immunsystem auf die Wirkung von Kortison zu konditionieren. Bei Patienten mit Schuppenflechte konnten sie das ungeliebte Medikament zu fast 80 Prozent durch eine wirkstofffreie Scheinsalbe ersetzen.“ (Goette 2015, S. 141)

Weil Humor und Optimismus so bedeutsam sind, möchte ich Ihnen im Folgenden einige Erkenntnisse aus der akademischen Glücksforschung präsentieren, die sich seit den 90-iger Jahren des letzten Jahrhunderts stürmisch entwickelt hat. Ich habe dazu hier meinen entsprechenden Text zum „Glücklich sein“ in leicht gekürzter Form angefügt. Dieser Text resümiert, dass es inzwischen eine umfassende und auf konkrete Techniken bezogene empirische Forschungaliteratur zum Thema Glück gibt. Diese Forschungen belegt erstens, dass etwa 50 % unserer Fähigkeit, uns also glücklich und froh zu fühlen, genetisch vererbt wird. Zweitens ist durch diese Forschung belegt worden, dass unser Glückserleben nur zu 10-15 Prozent – tatsächlich NUR ZEHN BIS FÜNFZEHN PROZENT – von unseren äußeren Umständen abhän­gt! 35-40 % unseres Glückspotentials werden hingegen von unseren subjektiven Einstellungen, Glaubenssätzen und Verhaltens­weisen bestimmt!

Das heißt, dass wir vor allem im Rahmen dieser 35 bis 40 Prozent ein enormes Potenzial haben, unsere Lebenszufriedenheit und unser Glücks­empfinden dauerhaft zu steigern und zwar unabhängig von den äußeren Umständen wie Besitz, Status, Gesundheit, Schönheit, Bildung, Lottogewinn etc.

Das sind gute Neuigkeiten!

Wenn wir uns dafür entscheiden, glücklicher zu werden, und bereit sind, etwas dafür zu tun, können wir mit großer Sicherheit unsere Lebenszufriedenheit deutlich erhöhen. Allein dieses Wissen um unsere Selbstwirksamkeit ist geeignet, uns aufzurichten und Mut zu machen, wenn wir zweifeln sollten, in großer Not sind oder nicht weiterwissen.

Welche Wege zum Glück sich in den wissenschaftlichen Studien als besonders wirkungsvoll erwiesen haben, wurde von der Harvard-Psychologin Sonja Lyubomirsky untersucht und zusammengefasst. Die wesentlichsten Strategien sind unten aufgeführt. Zu beachten ist dabei, dass nicht jede Strategie zu jeder Person passt. Die Psychologin empfiehlt daher, sich für einen bestimmten Zeitraum etwa vier eigene Lieblingswege auszusuchen und damit zu experimentieren. Es spricht aber auch nichts dagegen, erstmal mit einer Strategie zu beginnen.

12 wissenschaftlich fundierte Glücksstrategien

  • Glücksaktivität 1: Entwickeln Sie ihre Fähigkeit zur Dankbarkeit

    Die Forschung zeigt, dass man glücklicher wird, wenn man sich in Dankbarkeit übt. Dankbarkeit fördert das Selbstwertgefühl, fördert und stärkt gute soziale Beziehungen, hilft beim Umgang mit Stress, ist unvereinbar mit negativen Emotionen (wie Neid, Eifersucht, Ärger, Gier etc.) und hilft, die positiven Erfahrungen des Lebens zu würdigen und zu genießen.

    Die beste Übung dafür, ist, sich ein Dankbarkeitstagebuch zuzulegen und darin zehn Wochen lang – oder auch länger und so lang man will – einmal pro Woche fünf Dinge aus der vergangenen Woche aufzuschreiben, für die man dankbar ist. Diese Übung fördert deutlich messbar die seelische und körperliche Gesundheit.

    Sehr gut wirkt auch das Schreiben von Dankesbriefen an Menschen, die etwas für uns getan haben.

  • Glücksaktivität 2: Seien Sie optimistisch

    Optimisten erhalten sich nachweislich auch unter Stress ein hohes Niveau an Wohlbefinden und geistiger Gesundheit. Optimisten sind beharrlicher und zeigen mehr Einsatz, wenn sie mit Hindernissen konfrontiert sind. Optimisten akzeptieren nachweislich schwierige Erfahrungen besser und versuchen, das Beste daraus zu machen. All das fördert ihr höheres Glücksniveau.

    Wie fördert man Optimismus? Eine nachgewiesenermaßen sehr effektive Strategie ist, ein Tagebuch des Wunsch-Ich in der gelungenen Zukunft zu führen. Die Übung besteht darin sich, sich an einem ruhigen Ort hinzusetzen und 20 bis 30 Minuten darüber nachzudenken, wie das eigene Leben optimalerweise in einem, fünf oder zehn Jahren aussehen wird. Entscheidend ist, sich dabei eine Zukunft vorzustellen, in der alles so verläuft, wie man es sich wünscht. „Sie haben ihr Bestes gegeben, hart daran gearbeitet, Ihr Potenzial voll ausgeschöpft, alle ihre Lebensträume verwirklicht und ihre Ziele zu ihrer besten Zufriedenheit erreicht. Halten Sie schriftlich fest (und im Präsens, als wäre es jetzt schon Wirklichkeit) was sie sich vorstellen.“

    Wenn man diese Übung nur über vier Wochen lang so oft und so lang man will durchführt, so steigert sie deutlich das Wohlbefinden und zwar umso mehr, je engagierter man dabei ist.

  • Glücksaktivität 3: Vermeiden Sie Grübeleien und soziale Vergleiche

    Es ist eine anerkannte Tatsache, dass Grübeln nichts bringt, sondern die Stimmung verschlechtert und die Chancen verringert, ein Problem tatsächlich zu lösen. Bewährte Strategien gegen nutzloses Grübeln sind

    • Sich Ablenken durch eine andere Aktivität, die einen ganz beansprucht, etwa Sport, aufmunternde Bücher lesen, lustige Filme gucken, schöne Musik hören.
    • Das Grübeln mit einem entschlossenen „STOP! – NEIN!“ abbrechen und seine ganzen geistigen Kräfte darauf verwenden, um an etwas Anderes zu denken.
    • Eine halbe Stunde fürs Grübeln reservieren; sich selber sagen: ‚Ich lasse das jetzt und denke später darüber nach, wenn ich ruhiger bin.“
    • Mit einem mitfühlenden Menschen darüber sprechen.
    • Darüber schreiben.
    • Aktiv Schritte zur Lösung von Problemen unternehmen.

    Im Hinblick auf Vergleiche mit anderen ist es erneut sinnvoll, von sehr glücklichen Menschen zu lernen. Diese lassen sich nicht beeinflussen von dem was andere um sie her haben oder tun. Je glücklicher jemand ist, desto weniger beschwert er sich mit Gedanken, ob andere wohl besser oder schlechter sind. Die glücklichsten Menschen freuen sich nach den übereinstimmenden Ergebnissen zahlreicher empirischer Studien an den Erfolgen anderer und empfinden Mitgefühl für deren Misserfolge.

  • Glücksaktivität 4: Seien Sie hilfsbereit

    Gutes für andere zu tun wirkt sich sehr günstig auf das eigene Glückserleben aus, sofern dies freiwillig und auf der Grundlage einer eigenen freien Entscheidung geschieht und sich das Engagement an den eigenen Kräften orientiert und im Einklang mit den eigenen zeitlichen Möglichkeiten ist. Ehrenamtliche Tätigkeiten, freiwillige Hilfsdienste oder einfach nur den einen Schritt mehr für einen anderen Menschen tun stärken das Gemein­schafts­gefühl, das Selbstvertrauen und das Selbstwerterleben.
    Besonders effektiv wirkt sich aus, wenn man an einem einzigen Tag in der Woche eine neue und besondere – Abwechslung ist auch hier eine sinnvolle Strategie – oder alternativ drei bis fünf kleinere gute Taten vollbringt (also etwa einem anderen Autofahrer die Vorfahrt zu geben). Sehr wirksam ist es auch, nicht über diese guten Taten zu sprechen.

  • Glücksaktivität 5: Pflegen Sie ihre sozialen Beziehungen

    Zugehörigkeit und Verbundenheit mit anderen zu erleben steigert unser Glückserleben. Sehr glückliche Menschen sind Meister im Finden, Gestalten und Erhalten guter mitmenschlicher Beziehungen. Sie schaffen sich ein tragfähiges soziales Netz und freuen sich an Kontakten und Begegnungen.

    Wie kann man das fördern? Sich Zeit füreinander nehmen, miteinander sprechen, Interesse am anderen mobilisieren und zeigen, Bewunderung, Anerkennung und Zuneigung offen und direkt zum Ausdruck bringen, sich mit anderen über deren gute Nachrichten und Erfolge freuen, sich öffnen, lernen, besser mit Konflikten umzugehen, sich unterstützend und loyal verhalten und häufiges Umarmen helfen sehr dabei. (In der Tat sind etwa häufige Umarmungen sehr gut geeignet, „Intimität und Freundschaft Auftrieb zu verleihen.“ (S. 163)

    Nützliche Hilfestellungen finden sich beispielsweise bei John Gottman: ‚Die sieben Geheimnisse der glücklichen Ehe’, oder auch bei Dale Carnegie: ‚Wie man Freunde gewinnt’.

  • Glücksaktivität 6: Entwickeln Sie Bewältigungsstrategien

    Es ist wichtig, über Strategien zu verfügen, um mit den Widrigkeiten des Lebens, angefangen von Alltagsärger bis hin zu traumatischen Erfahrungen umzugehen. Sehr wirksam ist es, wenn es gelingt, einen Sinn darin zu finden oder die positiven Aspekte einer schwierigen Lebenserfahrung aufzufinden.

    Eine sehr gute Übung für die Integration schmerzlicher Ereignisse ist expressives Schreiben, an mehreren Tagen in Folge und pro Tag mindestens 15 Minuten: „Schreiben Sie in den kommenden vier Tagen Ihre intimsten Gedanken und Empfindungen über die traumatischste Erfahrung ihres Lebens auf. Lassen Sie völlig los und erforschen Sie ihre tiefsten Emotionen und Gedanken. Sie können Ihr Thema an Ihrer Beziehung zu anderen festmachen, seien es Eltern, Partner, Freunde oder Verwandte, an Ihrer Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft oder daran, wer Sie waren, wer Sie sind oder wer Sie sein möchten. Sie können jeden Tag über dasselbe Thema schreiben oder über vier verschiedene traumatische Erfahrungen“.

    Eine zweite, etwas strukturiertere Übung besteht darin, die positiven Aspekte der traumatischen Erfahrung zu finden, durch Schreiben oder im Gespräch. Im ersten Schritt dieser Übung ist es wichtig, den eigenen Schmerz über das Ereignis anzuerkennen. Danach ist es gut, zu überlegen, was genau man während des Ereignisses getan hat, auf das man im Nachhinein stolz sein kann. Im zweiten Schritt fragt man sich, wie man durch das Ereignis gewachsen ist: „Sehen Sie das Leben anders (und sei es negativer)? Sind Sie mitfühlender, dankbarer, sensibler, geduldiger, toleranter oder offener geworden?“ (S. 181) Im dritten Schritt fragt man sich, welche positiven Auswirkungen das Trauma auf die eigenen Beziehungen hatte. „Sind einige Ihrer Beziehungen stärker geworden? Sind Ihnen manche Menschen näher, vertrauter oder eine größere Stütze geworden?“ (ebd.)

    [Sehr viele Anregungen für Bewältigungsstrategien finden sich auch bei Dale Carnegie, insbesondere in seinem Klassiker ‚Sorge dich nicht, lebe’.]

  • Glücksaktivität 7: Lernen Sie vergeben

    Sich für erlittenes Unrecht rächen zu wollen, es mit gleicher Münze heimzuzahlen oder sich ganz von den Tätern zu distanzieren macht uns unglücklich. Hingegen trägt es nachweislich zu unserem Glücksempfinden bei, wenn es uns gelingt, zu vergeben. Glücklichsein ist die beste Vergeltung. Sehr förderlich ist es dafür, sich im Mitgefühl mit anderen zu üben.

    Eine der besten Übungen in diesem Zusammenhang ist ein Vergebensbrief: „Beschreiben Sie in diesem Brief im Detail, wie sie verletzt wurden. Führen Sie aus, inwieweit Sie damals betroffen waren und wie Sie die Erfahrung weiterhin verletzt. Schreiben Sie, was die betreffende Person Ihrer Meinung nach hätte anders machen sollen. Beenden Sie den Brief mit einer Stellungnahme, in der Sie explizit Ihre Vergebung und Ihr Verständnis für die andere Person formulieren (zum Beispiel: „Ich weiß, dass du es damals nicht besser wusstest und vergebe dir.“ (S. 190)

    Es ist nicht nötig und eher davon abzuraten, diesen Brief abzuschicken.

    Bill Clinton soll Nelson Mandela, der über 27 Jahre im Gefängnis war, gefragt haben, wie er es geschafft habe, seinen Gefängniswärtern zu vergeben. Mandela habe geantwortet: „Als ich zum Gefängnistor hinausging, wusste ich, wenn ich diese Menschen weiter hasse, dann bleibe ich im Gefängnis.“ Clinton soll sich immer wieder an diese Geschichte erinnert und sie wie ein Gebet wiederholt haben.

  • Glücksaktivität 8: Schaffen Sie Flow-Erfahrungen

    Es macht glücklich, ganz in einer Aktivität aufzugehen und sich selbst darin zu vergessen, während die Zeit vergeht wie im Fluge. Dieser Zustand einer extremen Vertiefung ins Hier und Jetzt und des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit wird nach dem Glücksforscher M. Csikszentmihalyi „Flow“ genannt.

    Die wichtigste Übung dafür ist, zu lernen, sich voll und ganz auf das einzulassen, was man gerade tut, d.h. seine Aufmerksamkeit beherrschen und steuern zu lernen. (Hier ist Medi­tation sicher sehr hilfreich.) Außerdem ist es gut, selbst heraus zu finden, wobei genau man selbst bereits häufig Flow-Zustände erlebt und das einfach häufiger zu tun. Ein weiterer Kunstgriff glücklicher Menschen ist, ihre eigene Arbeitstätigkeit aufzuwerten und ganz bewusst als etwas Sinnvolles und Wertvolles zu betrachten. Dann folgen Spaß an der Arbeit und spontane Flowerfahrungen in aller Regel auf dem Fuße.

  • Glücksaktivität 9: Genießen Sie die Freuden des Lebens

    Es ist gut, zu lernen, Alltagserfahrungen zu genießen. Beispielsweise hilft es, pro Tag zwei angenehme Erfahrungen zu genießen, indem man bewusst zwei oder drei Minuten darüber nachdenkt und versucht, diese Erfahrung so lang und so intensiv wie möglich zu gestalten.

    Eine andere Übung ist, zu lernen, positive Erinnerungen wachzurufen und sich darin zu versenken. Beispielsweise kann man eine Liste mit angenehmen Erinnerungen aufstellen und persönliche Erinnerungsgegenstände, wie Fotos, Geschenke oder Mitbringsel zusammentragen, um dann eine Woche lang zwei Mal pro Tag in positiven Erinnerungen zu schwelgen, etwa so: „Wählen Sie aus der Liste der positiven Erinnerungen zunächst eine aus. Setzen Sie sich hin, atmen Sie tief ein, entspannen Sie sich, schließen Sie die Augen und erinnern Sie sich. Lassen Sie die Bilder an sich vorüberziehen, die mit diesem Ereignis verbunden sind. Versuchen Sie sich an Ereignisse zu erinnern, die mit dieser Erinnerung zusammenhängen. Versetzen Sie sich in die Erinnerung, beleben Sie den Moment in Ihrer Fantasie neu und rufen Sie sich dabei möglichst viele Details ins Gedächtnis.“ (S. 210)

    Ferner ist es nachweislich gut, sich deutlich an seine glücklichsten Momente zu erinnern, in Nostalgie zu schwelgen, gute Nachrichten zu feiern, offen zu sein für Schönheit und Einzigartigkeit, Genusserfahrungen mit Freunden und Familie zu teilen und mit allen Sinnen zu genießen. Auch die Übung in Achtsamkeit, also besondere Aufmerksamkeit auf das Geschehen im Hier und Jetzt walten zu lassen, ist dem eigenen Glückserleben nachweislich äußerst förderlich.

  • Glücksaktivität 10: Verwirklichen Sie Ihre Lebensträume

    Die Verwirklichung eigener Lebensträume macht glücklich. Als aus wissenschaftlicher Sicht besonders förderlich fürs Glückserleben haben sich alle Aktivitäten zur Verwirklichung von Zielen erwiesen, die man sich selbst aus einem inneren Antrieb herausgesetzt hat, die einem ureigenen Wunsch, einem eigenen Herzenswunsch entsprechen, also authentisch sind, die auf ein ersehntes Ergebnis und die Annäherung daran ausgerichtet sind, mit anderen eigenen Zielen harmonieren und flexibel und angemessen sind.

    Die beste Übung ist, sich die eigenen wichtigsten Ziele bewusst zu machen. Das Wort Ziele schließt Absichten, Wünsche, Sehnsüchte, Motive mit ein, all das was einem heute wichtig ist oder in letzter Zeit wichtig war. Es ist sinnvoll, sich die eigenen wichtigsten Ziele, maximal acht, zu notieren und dann zu überprüfen, ob sie den obigen Kriterien entsprechen. Ist das der Fall, ist es sinnvoll, aus dieser Liste weise zu wählen und sich die ausgewählten Ziele ganz zu eigen zu machen. Wenn man sich auf diese Ziele – oder eins davon – verpflichtet, sich mit Leidenschaft engagiert, daran glaubt, das Ziel erreichen zu können und sich Etappenziele setzt, dann sind Glückserlebnisse beim Gehen des Wegs so sicher wie das Amen in der Kirche.

  • Glücksaktivität 11: Beschäftigen Sie sich mit Religion und Spiritualität

    Religiöse Menschen sind nachweislich glücklicher und gesünder und kommen mit traumatischen Ereignissen besser zurecht als nichtreligiöse Menschen. „Menschen, die ihre Gottheit als gütig und ansprechbar wahrnehmen, sind glücklicher als andere.“ (S. 246) Spiritualität stiftet Sinn, wo alle anderen Erklärungsversuche versagen. Sie hilft, die Mühseligkeiten des Lebens zu transzendieren, das Göttliche im Alltag zu sehen und stärkt unsere Zuversicht und Vertrauen ins Leben, die Welt und in uns Selbst.
    Als sinnvollste und wirksamste Übung hat sich das spirituelle oder meditative Gebet erwiesen. Dabei geht es einfach darum, sich durch Mantren, Gebete oder stille Meditation einige Zeit in die Gegenwart Gottes zu begeben und sich dort aufzuhalten, sich sozusagen mehr und mehr in die stärkende Präsenz Gottes zu versenken. Wirksamer als das Gebet für ein bestimmtes Ergebnis wirkt das Gebet, das aus der Haltung des „Dein Wille geschehe“ praktiziert wird. „Menschen, die das meditative Gebet praktizieren, sind glücklicher und fühlen sich Gott näher als Menschen, die um Vergebung oder Beistand beten.“ (S. 247)

  • Glücksaktivität 12: Sorgen Sie für ihren Körper: Meditation, Sport, Vorwegnahme des Glücks

    Es gibt eine Überfülle an Untersuchungen, die belegen, dass Meditation sich sehr günstig auf unser Glücksempfinden, auf unsere körperliche Gesundheit, geistige Stabilität, Belastbarkeit, moralische Reife und vieles andere auswirkt. Interessanterweise fördert sie auch die Intelligenz und andere kognitiven Fähigkeiten. Sehr segensreich wirkt Meditation nachweislich auch bei Angst und Depressionen.

    Körperliche Betätigung und ein moderat betriebenes sportliches Bewegungsprogramm macht glücklicher. Unter Garantie! Das ist zweifelsfrei bewiesen. Ausdauersport wirkt beispielsweise bei Depressionen genau so gut wie eine Therapie mit Antidepressiva. Gut ist, sich selbst ein angemessenes Programm mit einer Übung, die einem Spaß macht, aufzustellen, das in den eigenen Terminkalender einzutragen und das Programm soweit als möglich einzuhalten.

    Die Als-Ob-Strategie ist nachweislich effektiv: So zu tun, als wäre man glücklich, selbstbewusst, erfolgreich, optimistisch und offen (oder was auch immer man anstrebt) hilft tatsächlich dabei, es zu sein. Glückliche Mimik und Gestik können helfen, tatsächlich Freude zu empfinden. Wichtig für den Gesichtsausdruck der Freude sind ein Zusammenziehen des Augenringmuskels und ein Anheben der Mundwinkel. Wird das stimuliert, indem man etwa einen Filzstift zwischen die Schneidezähne klemmt, führt allein diese Simulation eines Lächelns nachweislich zu einer gewissen, wenn auch nicht sehr starken Anhebung der Stimmung.

    All diese Strategien und die zugrundeliegenden empirischen Studien unterstützen uns im Vertrauen und festen Glauben, dass wir tatsächlich etwas für unser Glück tun können. Und wenn wir etwas für unser Glück tun, tragen wir auch etwas zu unserer Gesundheit bei.
    Dabei liegt die Betonung auf dem TUN. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. (Kästner) Es ist unser geduldiges und ausdauerndes Üben, das es leichter macht, glücklich zu sein.

Literaturempfehlungen:

  • Cousins, Norman (1996): Der Arzt in uns selbst. Wie sie ihre Selbstheilungskräfte aktivieren können, Reinbek: Rowohlt. (Das Eingangszitat von Immanuel Kant wird übrigens von Norman Cousins (S. 81) angeführt. Es befinde sich in Kants Werk: Kritik der Urteilskraft)
  • Goette, Sabine (2015): Selbstheilung. Warum Gesundheit im Kopf beginnt und was die Wissenschaft darüber weiß, München: Knaur
  • Lyubomirsky, Sonja (2008): Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben, Frankfurt/New York: Campus
  • Schubert, Christian (2011): Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie, Stuttgart: Schattauer Vlg.